AG Köln – ein Einwurf-Einschreiben erbringt keinen Nachweis für den rechtzeitigen Zugang einer Betriebskostenabrechnung


Über die vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen, wobei die Abrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen ist. Nach Ablauf dieser Frist kann der Vermieter keine Nachforderungen mehr geltend machen, es sei denn, er kann nichts für die Verspätung. Der Bundesgerichtshof entschied durch Urteil vom 21.01.2009, Az: VIII ZR 107/08, dass die Betriebskostenabrechnung dem Mieter noch innerhalb der Frist zugegangen sein muss; die rechtzeitige Absendung der Abrechnung genügt nicht aus. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, wie der Zugang nachgewiesen werden kann.

Das Amtsgericht Köln sieht selbst das beliebte Einwurf-Einschreiben für einen Zugangsnachweis als nicht ausreichend an. In dem zu Grunde liegenden Fall entstand nach Beendigung eines Mietverhältnis Ende März 2006 Streit zwischen Vermieter und Mieter über offene Betriebskosten aus 2005. Der Vermieter hatte den Nachzahlungsbetrag mit der Kaution und einem Guthaben aus der Betriebskostenabrechung 2006 verrechnet und verlangte mit seiner Klage den darüber hinaus gehenden Betrag vom Mieter. Dieser wiederum behauptete, er habe erst im März 2007 und damit viel zu spät eine berichtigte Betriebskostenabrechnung für 2005 erhalten und verlangte seinerseits im Wege der Widerklage die Auszahlung der Kaution sowie des Guthabens.

Trotz des Umstandes, dass der mit der Abrechnung der Betriebskosten beauftragte Hausverwalter angab, diese am 28.12.2006 per Einwurf-Einschreiben aufgegeben zu haben , eines Auslieferungsbelegs der Deutschen Post AG der als Zustelldatum den Folgetag auswies und der Aussage des Zustellers, sah das Amtsgericht Köln den Zugangsnachweis nicht geführt. Die Klage des Vermieters wurde abgewiesen, der Widerklage stattgegeben.

Aus den Gründen:

(…) Die Beweisaufnahme hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die erste – also die fehlerhafte – Betriebskosten-Abrechnung dem Beklagten am 29. Dezember 2006 zugegangen ist. Der (Zusteller) hat bekundet, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er den konkreten Brief in den konkreten Briefkasten eingeworfen habe. Zwar hat er auch erklärt, dass es während der ganzen Zeit, während der er bei der Deutschen Post AG beschäftigt gewesen sei (…), niemals zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seinen Zustellungen gekommen sei. Dies spricht zwar für die Zuverlässigkeit des Zeugen, bedeutet aber nicht, dass der hier in Rede stehende Brief dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist.

Der Auslieferungsbeleg beweist den Zugang des Schreibens auch nicht, weil sich aus ihm nicht ergibt, in welchen Briefkasten in welchem Haus die Postsendung eingeworfen wurde. Der Auslieferungsbeleg gibt nämlich lediglich die Postleitzahl und den Zustellbezirk an. Die Anschrift, unter der der Brief eingeworfen wurde, geht aus dem Beleg nicht hervor. Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins finden zugunsten der Klägerin keine Anwendung. Eine Tatsache, der ein typischer Geschehensablauf zugrunde liegt, gilt zugunsten der beweisbelasteten Partei als bewiesen, solange die andere Partei nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Ein typischer Geschehensablauf liegt aber nur vor, wenn nach der Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, juris).

Ob von der Absendung eines Einschreibens auf den Zugang dieses Schreibens beim Empfänger geschlossen werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
Das Amtsgericht Erfurt (Urt. v. 20.06.2007, Az.: 5 C 1734/06, [MDR 2007, 1338]) ist von der Überlegung ausgegangen, die Häufigkeit, mit der in der tatrichterlichen Praxis Empfänger den Zugang von Schreiben bestritten, zeige, dass geradezu ein Bedürfnis dafür bestehe, die Beweiserleichterung durch die Regeln des Anscheinsbeweises zuzulassen. Aus der Tatsache, dass die Zahl verloren gegangener oder falsch zugestellter Postsendungen äußerst gering sei, folge der Erfahrungssatz, dass eine zur Post gegebene Sendung ihren Empfänger auch erreiche. Bei einem Einwurf-Einschreiben gelte dies in besonderem Maße, weil der Zusteller den Einwurf durch seine Unterschrift im Auslieferungsbeleg dokumentiere. Dieser Auslieferungsbeleg sei ein starkes Indiz für den Zugang. Aus diesem Grunde müsse der Empfänger, der den Zugang des Schreibens bestreite, Tatsachen beweisen, die die ernsthafte Möglichkeit ergäben, dass er das Schreiben tatsächlich nicht erhalten habe.

Die übrigen Gerichte folgen dieser Auffassung nicht. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, [BGHZ 24, 308 NJW 1957, 1230]) hat entschieden, dass es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch unter normalen Postverhältnissen immer wieder vorkomme, dass Einschreiben ihre Empfänger nicht erreichten. Auch wenn die Zahl verloren gegangener Postsendungen gering sei, so sei weder der Verlust noch der Zugang einer Sendung typisch, beides sei vielmehr etwa gleich wahrscheinlich. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Empfänger der Nachweis, dass er das Schreiben nicht erhalten habe, in der Regel gar nicht führen könne, weil es sich hierbei um eine negative Tatsache handle. Ferner sei zu beachten, dass derjenige, der jeden Streit über den Zugang eines Schriftstücks vermeiden wolle, andere Möglichkeiten der Übersendung wählen könne, die einen sicheren Zugangsbeweis ermöglichten. Dieser Auffassung haben sich zahlreiche Gerichte angeschlossen (z. B. LG Potsdam, Urt. v. 27.07.2000, Az.: 11 S 233/99, [NJW 2000, 3722
BauR 2001, 1632 (Ls.) VersR 2001, 995PDF]; AG Kempen, Urt. v. 22.08.2006, Az.: 11 C 432/05, http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4654.htm).

Das Gericht folgt der letztgenannten Ansicht. Es ist nicht einzusehen, weswegen der Empfänger eines Schreibens das Risiko für seinen Zugang tragen soll. Der einzige, der es in der Hand hat, für einen ordnungsgemäßen Zugang zu sorgen, ist nämlich der Absender. Er kann einen sicheren Weg wählen, um den Zugang zu gewährleisten, der Empfänger hat hierauf keinen Einfluss. In Betracht kommt etwa eine förmliche Zustellung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Eine solche Zustellung ist zwar teurer als das Porto für einen herkömmlichen Brief oder für ein Einschreiben, allerdings nicht übermäßig teuer.

(…) Geht man davon aus, dass die Klägerin für die förmliche Zustellung der Betriebskosten-Abrechnung (durch einen Gerichtsvollzieher) insgesamt € 20,00 hätte zahlen müssen, so hätte sie 2,21 % des Betrages aufwenden müssen, den sie von dem Beklagten im Falle eines fristgerechten Zugangs hätte verlangen können. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte sich eine förmliche Zustellung also durchaus „gelohnt“.

Hinzu kommt noch Folgendes: Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz unter der Anschrift O. in Köln, der Beklagte hat seinen Wohnsitz unter der Anschrift B. in Köln. Benutzt man die einfachste Strecke, beträgt die Entfernung zwischen diesen beiden Anschriften etwa 16 km. Für die Hin- und Rückfahrt sind also 32 km zurückzulegen. Geht man davon aus, dass für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs pro km € 0,30 aufzuwenden sind, ergeben sich Kosten in Höhe von 32 x € 0,30 = € 9,60. Verdoppelte man im Hinblick auf die drastisch gestiegenen Benzinpreise diesen Betrag, so wären Kosten in Höhe von ca. € 20,00 entstanden, wenn die Klägerin einen ihrer Mitarbeiter mit dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Beklagten beauftragt hätte. Dieser Mitarbeiter hätte in einem Prozess als tauglicher Zeuge zur Verfügung gestanden, weil er – anders als der Zusteller der Deutschen Post AG – nicht tagtäglich unzählige Briefe zustellt und sich daher auch noch nach einigen Monaten an den konkreten Einwurf mit Sicherheit erinnert hätte.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Klägerin zum Preis von € 20,00 einen sicheren Zugang der Betriebskosten-Abrechnung hätte erreichen können. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten. Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Klägerin im Vorfeld nicht wissen konnte, welche Abrechnungen auf dem Postwege verloren gehen könnten und welche nicht. Im Hinblick darauf, dass der Klägerin zur Fristwahrung lediglich noch fünf Tage verblieben, wäre es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar gewesen, bei allen Abrechnungen, die mit einem Nachforderungsbetrag in einer gewissen Größenordnung endeten, für einen sicheren Nachweis des Zugangs zu sorgen.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie den verspäteten Zugang der Betriebskosten-Abrechnung nicht zu vertreten habe. Ob ein Vermieter den verspäteten Zugang der Betriebskosten-Abrechnung dann nicht zu vertreten hat, wenn er die Abrechnung so rechtzeitig abgesandt hat, dass unter normalen Verhältnissen mit ihrem fristgerechneten Zugang zu rechnen war, wird in der Rechtsprechung ebenfalls unterschiedlich beantwortet. Das Amtsgericht Leipzig (Urt. v. 06.09.2005, Az.: 163 C 4723/05, juris) hat entschieden, dass der Vermieter das seinerseits Erforderliche getan habe, wenn er die Abrechnung abgesandt habe, so dass ihm Verzögerungen bei der Postzustellung nicht angelastet werden dürften. Demgegenüber haben das Amtsgericht Meißen (Urt. v. 24.08.2007, Az.: 3 C 257/07, juris) und das Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 07.02.2007, Az.: 23 C 108/06) entschieden, dass diese Auffassung mit § 556 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren sei, weil sie auf eine nicht zu vertretende Beweiserleichterung für den Vermieter hinauslaufe. § 556 Abs. 3 BGB verlange vom Vermieter, dass er den Zugang der Abrechnung nachweise, dieser Verpflichtung dürfe sich der Vermieter nicht entziehen.

Das Gericht folgt der letztgenannten Auffassung. Als der Gesetzgeber den Halbsatz „es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten“ schuf, dacht er daran, dass Versorgungsunternehmen ihre Abrechnungen erst lange nach Ablauf der Abrechnungsperiode erstellen oder Steuern und Abgaben für bereits vergangene Zeiträume nachträglich festgesetzt werden könnten (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 9. November 2000, Bundestags-Drucksache 14/4553, S. 51). Dem Gesetzgeber schwebten also Fälle vor, in denen dem Vermieter zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Abrechnung fertig stellen muss, noch nicht alle Zahlen zur Verfügung stehen. In einem solchen Fall soll der Vermieter nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit haben, die jeweiligen Kosten noch nach Ablauf der Abrechnungsfrist dem Mieter weiterzuberechnen. Dass der Gesetzgeber den Vermieter von der Verpflichtung freistellen wollte, für einen rechtzeitigen Zugang der Abrechnung zu sorgen, ist nicht ersichtlich.

Nach alledem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Vermietern im Zusammenhang mit den Anforderungen, die an den fristgerechten Zugang von Betriebskosten-Abrechnungen zu stellen sind, gewisse Erleichterungen gewährt werden müssten. Für eine solche bevorzugte Behandlung besteht kein Bedürfnis, weil der Vermieter die Möglichkeit hat, das Entstehen eines Betriebskosten-Nachzahlungsanspruchs zu verhindern. So kann der Vermieter mit seinem Mieter gleich zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbaren, dass Letzterer angemessene Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu leisten hat (§ 556 Abs. 2 Satz 2 BGB). Erweisen sich die Vorauszahlungen als zu niedrig, kann der Vermieter nach einer Abrechnung – ohne Zustimmung des Mieters – eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen (§ 560 Abs. 4 BGB).
Angemessen sind Vorauszahlungen, die an der Höhe der zu erwartenden Betriebskosten ausgerichtet sind (Begründung zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 19. April 1974, Bundestags-Drucksache 7/2011, S. 12). Die Angemessenheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass gewisse Überzahlungen eintreten können, weil künftige Kosten nie genau kalkuliert werden können. Die Grenze der Angemessenheit wird erst dann überschritten, wenn durch die Vorauszahlungen erhebliche Zinsgewinne bzw. Zinsverluste entstehen (MüKo/Schmid, 4. Aufl., München 2004, § 556, Rn. 37). Ein Sicherheitszuschlag von 10 % bis 15 % ist hiernach stets zulässig.

Mit anderen Worten: Ein Vermieter, der von seinem Mieter angemessene Betriebskosten-Vorauszahlungen verlangt, kann erreichen, dass die Betriebskosten-Abrechnung anstatt mit einem Nachforderungsbetrag mit einem Guthaben zugunsten des Mieters endet. In einem solchen Fall muss er für einen fristgerechten Zugang der Abrechnung nicht mehr sorgen, weil die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nur für Nachforderungen gilt. Ein Vermieter, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, vermeidet also von vornherein jeden Streit über die Frage, wann der Mieter die Abrechnung erhalten hat, weil es auf diese Frage nicht mehr ankommt.

Selbst wenn die Betriebskosten-Abrechnung wider Erwarten doch mit einem Nachforderungsbetrag endet, so fällt dieser Betrag desto geringer aus, je realistischer die Betriebskosten-Vorauszahlungen kalkuliert waren. Verzichtet der Vermieter dann auf eine sichere Art der Übersendung und bestreitet der Mieter anschließend den rechtzeitigen Zugang der Abrechnung, so fällt der hierdurch entstehende wirtschaftliche Schaden für den Vermieter erheblich geringer aus als wenn er deutlich zu niedrige Vorauszahlungen verlangt hätte. Der Vermieter hat also die Möglichkeit, den Schaden zumindest auf ein Minimum zu reduzieren. (…)

Amtsgericht Köln, Urteil vom 16.07.2008, Az: 220 C 435/07 (www.justiz.nrw.de)

Praxisrelevanz:

Nicht nur im Mietrecht, so bei Betriebskostenabrechungen oder Kündigungen, sondern überall dort, wo es zur Wahrung von Fristen auf den rechtzeitigen Zugang beim Empfänger ankommt, ist der Nachweis von entscheidender Bedeutung. Bestreitet der Empfänger den Zugang, muss der Absender diesen nachweisen. Bei einem einfachen Brief wird dies nicht möglich sein, allein die Aufgabe bei der Post lässt nicht den Schluss zu, der Brief sei auch zugestellt worden. Aber auch die oft empfohlenen Einschreiben, egal ob wie in dem vom AG Köln entschiedenen Fall das Einwurf-Einschreiben oder aber das Übergabe-Einschreiben, sind nicht geeignet. Bei einem Übergabeeinschreiben quittiert der Empfänger zwar durch seine eigenhändige Unterschrift den Erhalt des Schreibens. Wird er aber nicht angetroffen, hinterlässt der Zusteller lediglich eine Benachrichtigung. Wird das Einschreiben dann innerhalb der Lagerfrist nicht abgeholt, geht es zurück an den Absender. Eine Zustellung würde damit zum Glückspiel. Zudem ist weder durch einfachen Brief, noch durch ein Einschreiben der Nachweis über den Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks zu erbringen. Sicher dürften daher nur die Zustellungen durch den Gerichtsvollzieher oder einen verlässlichen Boten sein, der dann allerdings auch mit dem Inhalt des Schriftstücks vertraut gemacht werden sollte.

, , , ,