AG Mannheim rudert zurück – Zuverlässigkeit einer PoliScan Speed-Messung nun doch gewährleistet


In einem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Mannheim (21 OWi 445/09), dem eine Messung PoliScan Speed zugrunde lag, wurde ein Gutachten eingeholt. Der dortige Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass eine endgültige Aussage darüber, ob das im konkreten Fall eingesetzte Messsystem dem Stand der Technik entspricht oder nicht, sich erst machen ließe, wenn detaillierte Unterlagen über die Funktionsweise des Messsystems vorliegen würden; solche detaillierten Unterlagen würden jedoch weder von der PTB Braunschweig noch von der Herstellerfirma zur Verfügung gestellt. Eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle eines Geschwindigkeitsmesswertes war von daher möglich, das Verfahren wurde eingestellt. Sich auf diese und eine Entscheidung des AG Dillenburg (3 OWi 2 Js 54432/09) berufend, zogen die Betroffenen gegen ihre Bußgeldbescheide zu Felde.

Jetzt hat das Blatt sich gewendet, das Amtsgericht Mannheim, gleiche Abteilung, hat nach einer neueren Entscheidung nunmehr keine Zweifel mehr an der Zuverlässigkeit des Messystems und verurteilte einen Autofahrer wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 80 Euro.

Aus den Gründen:

Die Zuverlässigkeit der Messwerte und damit die Verwertbarkeit der Daten in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren wird durch Sicherstellung der Streubreite der Daten gewährleistet. Eine Messwertbildung kommt nur zustande, wenn innerhalb der gesamten Berechnungsstrecke eine durchgängige Erfassung über 10 Meter gewährleistet und eine zusammenhängende Erfassung des gemessenen Fahrzeugs erfolgt ist. Auch darf innerhalb der gesamten Berechnungsstrecke von 50 bis 20 Metern höchstens eine Strecke von 15 Metern oder eine Zeit von maximal 2 Sekunden liegen, in der keine Signale ausgesandt beziehungsweise empfangen werden. Schrägfahrten von mehr als 5° müssen ausgeschlossen sein. Die Durchschnittsgeschwindigkeit darf nicht mehr als 10 % schwanken.

(…) Gegenstand der Beweisaufnahme waren die Ausführungen der sachverständigen Zeugen F. Sch. von der Herstellerfirma des verwandten Geschwindigkeitsmessgeräts Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH und Dr. F. J. von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, die dessen Bauart im Juni 2006 zugelassen hatte, des Sachverständigen V. Sch. sowie die Verlesung des Messprotokolls, des Eichscheins, der Schulungsbescheinigung des Messbeamten T. B. und des Verkehrszentralregisterauszugs des Betroffenen, und schließlich die Inaugenscheinnahme des Messbildes.

(…) Das verwandte Messverfahren, ein mobiles Lasergerät Vitronic PoliScan Speed, hat zuverlässig einen Messwert von 85 km/h ermittelt, der um 3 km/h auf 82 km/h bereinigt wurde (bei einer Verkehrsfehlergrenze von 3 km/h bei Fahrgeschwindigkeiten unter 100 km/h und 3 % des angezeigten Wertes bei Fahrgeschwindigkeiten von über 100 km/h).

An der rechtlichen Zulässigkeit der Messung bestand im Hinblick auf verdachtsabhängig veranlasste, auch automatische Bildaufzeichnungen bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen kein Zweifel. Die Ermächtigungsgrundlage ist § 163b Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG. Das Gerät detektiert alle im Messstrahl in einem Bereich von 10 bis 75 Metern in einem horizontalen Blickwinkel von 45 Grad vor dem Messgerät fahrende Fahrzeuge, ein Messwert, der zu einer Bilddokumentation führt, erfolgt jedoch nur ab einem vom Betreiber zuvor festgelegten Referenzwert.

Eine Messwertbildung kommt folgendermaßen zustande: der Erfassungsbereich liegt zwischen 10 und 75 Metern vor dem Gerät. Es werden Laserstrahlen im Infrarotbereich ausgesendet, 158 Strahlen mit einer Wiederholrate von 100/s und mit einer Aufweitung auf 45 mal 140 Zentimeter auf 75 Meter. Fährt in diese Strahlaufweitung ein Fahrzeug hinein, startet eine Laser-Puls-Laufzeit-Messung. Die dabei ermittelte Objektkontur ergibt sich daraus, dass das Fahrzeug die Lichtimpulse mit verschiedenen Teilen reflektiert und zurücksendet, womit sich ein dreidimensionales Bild ergibt. Dieses wird in einem kartesischen System erfasst und mit einer Regressionsgeraden versehen, aus der sich letztlich die Durchschnittsfahrgeschwindigkeit ergibt, die auf einer Strecke zwischen 50 bis 20 Metern vor der Kamera errechnet wird. Die Qualität der Messwertbildung hängt dabei von der Anzahl der einzelnen Messwerte und deren Streuung ab, üblich werden rund 500 Messwerte im Einzelfall verlangt.

Eine Messwertbildung kommt nur zustande, wenn innerhalb der gesamten Berechnungsstrecke eine durchgängige Erfassung über 10 Meter gewährleistet war und unmittelbar vor der tatsächlichen Messwertbildung über 5 Meter vor Auslösen der Kamera eine tatsächliche zusammenhängende Erfassung des gemessenen Fahrzeugs erfolgt ist. Auch darf innerhalb der gesamten Berechnungsstrecke von 50 bis 20 Metern höchstens eine Strecke von 15 Metern oder eine Zeit von maximal 2 Sekunden liegen, in der keine Signale ausgesandt bzw. empfangen werden. Damit wird eine breite Streubreite an Daten sichergestellt. Bei einer Schrägfahrt von mehr als 5 Grad wird eine Messung verworfen. Das Gerät kann verschiedene Fahrzeug mit einer Differenzgeschwindigkeit von unter einem km/h „erkennen“ und unterscheiden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit darf nicht mehr als 10 % schwanken, da sonst die Messung verworfen wird.

Bei der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig wird der sog. Quellcode geprüft, damit sind die Grenzwertbedingungen und die Messwertbildungskriterien bekannt und geprüft. Dies ist wichtig, da die technischen Aufzeichnungen bei der Einzelmessung durch die Anlage überschrieben werden und die genaue Messstelle jedenfalls derzeit (eine Änderung ist für 2010 vorgesehen) nicht rekonstruierbar ist. Bei der vorgegebenen Anzahl von Einzelmesswerten in exakt bestimmten Ort-Zeit-Positionen gibt es jedoch genügend Datenimpulse, um eine statistische Absicherung des errechneten Messwerts zu gewährleisten. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat zu keinem Zeitpunkt Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Messergebnisse geäußert.

Herkömmlicherweise wird u.a. aus der Anzahl und der Gründe, aus denen ein Geschwindigkeitsmessgerät Einzelmessungen verwirft (annulliert), Rückschlüsse auf die Güte einer Messreihe gezogen. Bei dem Lasermessgerät werden die Art und Anzahl der Annullationen vom Gerät jedoch nicht aufgezeichnet. Es sind zwei Annullationsgründe werksseitig vorgegeben. Einmal sind dies solche, in denen kein Lichtbild erstellt wurde, so bei Verdeckungsfällen oder aus fototechnischen Gründen, bei denen das Gerät bei hohen Fallzahlen wegen Überlastung nicht mehr Schritt halten kann. Zum anderen wird die Gesamtmessung annulliert, wenn messtechnische Gründe vorliegen, etwa die 10- Meter-Strecke nicht erreicht wurde. Die sog. „Verdeckungsannullation“ ist dabei lediglich eine Komfortfunktion des Geräts, die nicht so sensibel eingestellt ist, dass nicht doch Messbilder ausgeworfen werden, die in der Vergangenheit Fragen aufgeworfen haben. Diese führen jedoch nicht zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Messwertbildung an sich.

Wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Fahrzeugs ermittelt ist, wird berechnet, welche Position das Fahrzeug (wenn es auf 10 % genau so schnell in die gleiche Richtung weiterfährt) zum Auslösen des Messphotos haben wird. Dort wird dann die sog. Auswertehilfe eingeblendet. Befindet sich dass Fahrzeug auf dem Messphoto in einer korrekten Position relativ zum Auswerterahmen, lässt dies die sichere Zuordnung des Fahrzeugs zum errechneten Geschwindigkeitswert zu. Es müssen wie hier bei Messung im ankommenden Verkehr sich der untere Rahmen der Auswertehilfe unterhalb der Vorderräder des gemessenen Fahrzeugs und das vordere Kennzeichen zumindest teilweise innerhalb der Auswertehilfe befinden und innerhalb des gesamten Auswerterahmens dürfen keine Teile eines weiteren Fahrzeugs zu sehen sein. Dies traf hier zu. Da somit die Kriterien der Messwertbildung festliegen, insbesondere alle 100 Millisekunden in einem Messzyklus eine Ort-Zeit-Berechnung stattfindet, die Fünf-Meter- Streckenüberwachung Auslösekriterium ist und die maximale Photoverzögerung 40 Millisekunden beträgt, ist hier von der zutreffenden Zuordnung der Messung zum Betroffenen auszugehen.

Das Gerät selbst war ausweislich des verlesenen Eichscheins der Hessischen Eichdirektion vom 06.10.2008 wenige Wochen vor der Messung ordnungsgemäß geeicht und die Selbsttests vom Gerät durchgeführt worden, das Messprotokoll selbst und der Datensatz des Messtages enthielten keine Auffälligkeiten. Der Messbeamte B. war, wie sich aus dem verlesenen Zertifikat der Herstellerfirma vom 14.02.2008 ergibt, in Wirkweise und Betrieb des Geräts geschult. Aufgrund seiner Angaben im verlesenen Messprotokoll ist davon auszugehen, dass das Gerät gemäß der Bedienungsanweisung der Herstellerfirma und der Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig aufgestellt und betrieben wurde. Das Fahrzeug des Betroffenen war korrekt als PKW und auf der zutreffenden Spur erkannt worden.

Der einzig denkbare Fall einer Fehlidentifizierung durch Einfahren in einen „fremden“ Rahmen, bei dem ein Fahrzeug in die „vorgerechnete“ Position eines anderen detektierten Fahrzeugs hinein fährt, liegt in einem Geschwindigkeitsbereich von 10 bis 20 km/h. Die Photoauslösung der ersten Spur liegt bei etwa 10 bis 15 Meter zur Kamera, bei der zweiten Spur bei etwa 20 Meter und der dritten mit etwa 27 Meter zum Gerät, vorauseilend während der Messung mit anschließender Nachberechnung. Daten werden nur bei einem Photoauftrag gespeichert, wobei die Sperrung der Kamera bis zur Blitzbereitschaft bei einer halben Sekunde liegt bei einer typischen Bildverzögerungszeit von 0,01 und einer maximalen von 0,04 Sekunden. Problematische Fälle, die einer genaueren Untersuchung bedürften, wären Messungen auf der dritten Fahrspur oder in Kurvenbereichen, da beide keiner praktischen Referenzprüfung durch die PTB Braunschweig unterzogen wurden, sondern lediglich Simulationsprüfungen unter Laborbedingungen. Solche Bedingungen waren vorliegend jedoch nicht gegeben.

Zweifel bestehen auch nicht hinsichtlich der Dokumentation des Messvorgangs beziehungsweise des Messergebnisses. Richtig ist, dass bei vorliegender Methode übliche Plausibilitätskriterien wie die Überprüfung einer Messreihe, eines Messfilms auf beispielsweise Leerphotos oder der Annullationsquote nicht greifen, weil außer den Datensätzen (bislang) keine weiteren Daten gespeichert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine hinreichende Kontrollierbarkeit des Einzelfalls gegeben ist. Nicht ausreichend wäre die technische Prüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt im Rahmen der Bauartzulassung, weil sie keine zuverlässige Aussage zu Mängeln der Bedienung im praktischen Betrieb zulässt. Das Geschwindigkeitsmessgerät ist aber keine Black Box, die Ergebnisse auswirft, die keiner Überprüfung zugänglich wären. Die Funktionsweise und die Messwertbildung sind nachvollziehbar und gerade die Annullationskriterien, die aufgrund der neuen Funktionsweise zwangsläufig andere sind als herkömmlich, zeigen im praktischen Betrieb, dass bei strikter Einhaltung der Auswertehilfe keine Fehlmessungen oder Fehlzuordnungen vorkommen, jedenfalls dann, wenn keine niedrige Fahrgeschwindigkeit, keine Kurvenfahrt und keine Identifizierung von PKW in LKW oder umgekehrt vorliegen. Im denktechnisch extremsten Fall, dass zwei Fahrzeuge exakt mit gleicher Geschwindigkeit und exakt parallel nebeneinander herfahren und damit für das Gerät identisch sind, würde das Gerät sie als ein Objekt erfassen und beide in den Auswerterahmen stellen sowie im Zweifel wegen der maximalen Fahrzeugbreite eines PKW von 3,8 Metern als LKW identifizieren. Nach den vorgegebenen Kriterien der Auswertehilfe wäre die Messung damit zu verwerfen. (…)

AG Mannheim, Urteil vom 23. 12. 2009 – 21 OWi 506 Js 19870/09 AK 445/09

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