AG Ahrensburg – ein Beamter der nachdenkt, handelt nicht willkürlich


An einem Wochentag um die Mittagszeit herum führten Beamte der Polizeidirektion Bad Oldesloe eine allgemeine Verkehrskontrolle durch. Unsere Mandantin fiel durch gerötete Bindehäute und verlangsamte Pupillenreaktion auf. Ein freiwillig durchgeführter Drogentest reagierte positiv auf THC. Die Beamten ordneten wegen “Gefahr im Verzuge” eine Blutentnahme an. Dabei sei der für die Anordnung der Blutentnahme geltende Richtervorbehalt “bedacht” worden. Wegen der Erforderlichkeit einer zeitnahen Blutprobe habe man dann aber in angenommener Eigenkompetenz entschieden.

Im Anhörungsverfahren entspann sich ein lustiger Dialog zwischen uns und dem Beamten. Unsere Stellungnahmen wurden ihm vom Ordnungsamt zur Stellungnahme und umgekehrt seine uns zur Stellungnahme zugeleitet. Zum Schluss wurde der Beamte dann noch persönlich. Auf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Ahrensburg statt. Die Richterin war freundlich, wusste mit der Situation umzugehen. Unser Widerspruch gegen die Verlesung des Blutgutachtens wurde protokolliert und ein Gerichtsbeschluss verkündet. Dass sie das Gutachten für verwertbar hielt, nahmen wir ihr auch nicht übel, da sie zum einen auch nur ihren Job macht, es zum anderen sogar begründen konnte und schlussendlich mitteilte, dass sie selbst gespannt sei auf die Entscheidung ihres OLG in der Rechtsbeschwerde. Die haben wir auch eingelegt und bereits begründet.

Hier aber erst einmal das Urteil des AG Ahrensburg zum Thema Blutentnahme und Richtervorbehalt.

Die Betroffene wird wegen fahrlässigen Führens eines Kraftzeugs unter Wirkung des berauschenden Mittels THC bei Eintragung von bereits einer Entscheidung nach § 316 StGB zu einer Geldbuße von 1.000,– Euro verurteilt. Der Betroffenen wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahr­zeuge jeder Art zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldent­scheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit dem Ablauf von 4 Mona­ten seit Eintritt der Rechtskraft.

Gründe:

(…) Der Verkehrszentralregisterauszug vom 16.02.2010 weist bezüglich der Betroffenen 3 Eintragungen aus. Am 20.01.2005 wurde bei der Betroffenen durch das Amtsgericht Tiergarten die Fahrerlaub­nis nach § 111 a StPO vorläufig entzogen. Mit Datum vom 16.03.2005, Rechtskraft am 06.06.2005, wurde die Betroffene durch das Amtsgericht Tiergarten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 Abs. 2, 69, 69 a StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 30,– Euro verurteilt. Ferner wurde eine Sperre für die Fahrerlaubnis von 7 Monaten angeordnet.

Am 03.08.2009 um 1 1 .50 Uhr befuhr die Betroffene mit ihrem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (…) die Autobahn A 24, Höhe km 15,8, Fahrtrichtung Berlin in Reinbek. Dabei stand sie unter der Wirkung eines berauschenden Mittels. Mittels der ihr am gleichen Tag um 12.30 Uhr entnommenen Blutprobe konnte der Nachweis von THC, einem Cannabisabbauprodukt, im Blutserum geführt werden. Der Wert lag bei 8,64 ng/ml. Die Betroffene handelte fahrlässig, indem sie trotz des vorangegangenen Cannabiskonsums ein Fahrzeug führte. Sie musste damit rechnen, dass das THC im Blutserum noch nachweisbar sein wür­de.

Die Feststellungen des Gerichts beruhen auf den in der Hauptverhandlung ausweislich des Protokolls ausgeschöpften Beweismitteln sowie aus den sonstigen in der Hauptverhandlung herrührenden Umständen.

Die Feststellungen zu den straßenverkehrsrechtlichen Vorbelastungen der Betroffenen be­ruht auf der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 16.02.201 0, welche sich in der Akte befindet und in der Hauptverhandlung verlesen wurde.

Die Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung zum Cannabiskonsum nicht geäußert. Der Konsum von Cannabis vor dem Führen des Fahrzeugs ist jedoch nachgewiesen durch das forensisch-toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin in Lübeck von Prof. K und Dr. F vom 12.08.2009 (Blatt 5 d.A.), welches in der Hauptverhandlung verlesen wurde und wonach der THC-Wert der Betroffenen im Blutserum um 12.30 Uhr einen Wert von 8,64 ng/ml hatte und damit den empfohlenen Grenzwert von 1 ‚0 deutlich überschritt. Es fehlen diesbezüglich auch jegliche Anhaltspunkte für einen Messfehler.

Die Verlesung des Gutachtens war vorliegend auch zulässig und die Verwertung des Gut-achtens dadurch möglich. Der Widerspruch des Verteidigers gegen die Verlesung des Gutachtens war zurückzuweisen, da jedenfalls ein Beweisverwertungsverbot nicht gegeben ist. Ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, ist im Strafverfahren zu Recht fremd. Ein Beweisverwertungsverbot ist demnach eine Ausnahme, die nur nach ausdrückli­cher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordnet wichtigen Gründen im Einzelfall anzuer­kennen ist. Eine gesetzliche Vorschrift, die für den hier zu beurteilenden Fall ein Beweisver­wertungsverbot ausdrücklich anordnet, existiert nicht. Die Voraussetzung, unter denen aus übergeordneten wichtigen Gründen ein im Einzelfall auch ohne ausdrückliche Vorschrift ein Beweisverwertungsverbot anzuerkennen ist, liegt hier ebenfalls nicht vor. Es liegt hier kein so massiver Eingriff fern jeder Rechtsgrundlage vor, dass dadurch das Verfahren als noch nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt würde. Selbst wenn die Polizeibeamten vorliegend bei der Anordnung der Entnahme der Blutprobe wegen möglichen Beweismittelverlust irrigerweise Gefahr im Verzug angenommen und den Richtervorbehalt damit nicht beachtet haben, wäre dies als nicht derart schwerer Eingriff zu bewerten, dass dies ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen würde. Zudem wäre hier aller Voraussicht nach ein richterlicher Anordnungsbeschluss gemäß § 81 a Abs. 1 StPO bezüglich der Blutprobenentnahme ergangen. Als Rechtsgüter standen sich hier letztlich das Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und das unter einfachem Ge­setzesvorbehalt stehende Grundrecht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit gegen-über. Es handelt sich nach Auffassung des Gerichts hier bei dem Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen um einen solchen von relativ geringer Intensität und Tragweite mit der Folge, dass vorliegend kein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, denn das öffentliche Inte­resse an der Sicherheit des Straßenverkehrs ist hier höher zu bewerten. Denn der von der Betroffenen begangene Verkehrsverstoß ist geeignet, die Sicherheit des Straßenverkehrs und Leib und Leben Dritter in jeglichem Maße zu gefährden.

Im vorliegenden Fall ist die durch die Polizeibeamten im Wege der Eilkompetenz getätigte Anordnung einer Blutprobe nicht als willkürlich zu bezeichnen. Dies gilt auch bei der Angabe der Zeugen P und D, dass eine dienstliche Anweisung bestand, dass stets von Gefahr im Verzug auszugehen sei. Denn vorliegend hat der Polizeibeamte P im Rah­men seiner Zeugenvernehmung glaubhaft bekundet, nicht ausschließlich aufgrund dieser dienstlichen Anweisung gehandelt zu haben, sondern sich eigenständig Gedanken über die Frage der Annahme von Gefahr im Verzug gemacht zu haben. So hat er glaubhaft bekundet, aus eigenen Erfahrungen zu wissen, dass eine richterliche Anordnung nicht innerhalb von wenigen Minuten zu erlangen ist, sondern zwei bis drei Stunden in Anspruch genommen hätte. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass er aus eigener Erfahrung wisse, dass ein schriftlicher Beschluss hätte eingeholt werden müssen und ein mündlicher Be­schluss nicht erlangt werden könnte. Dann hätte aber nach seiner Einschätzung nach ein Beweismittelverlust drohen können, da die Betroffene selbst angab, am Vortag Cannabis konsumiert zu haben und es möglicherweise um den Grenzwert von 1 ng/mI gegangen wäre. Der Zeuge P gab weiter an, durch die stark geröteten Augen der Betroffenen, ihre ge­röteten Bindehäute und ihr auffälliges Verhalten durch langsame Reaktionen und starke Diskutierfreudigkeit den Verdacht gehabt zu haben, dass sie tatsächlich Drogen konsumiert hatte, aber nicht sicher einschätzen konnte, ob dies am Vortag oder am gleichen Tag geschehen sei. Die Anordnung der Blutprobe durch den Zeugen P bewertet das Gericht daher nicht als willkürlich. Damit war das Gutachten als Beweismittel verwertbar.

Des steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vom 26.10.2009. Denn vorliegend lagen wie erwähnt gerade Anhaltspunkte dafür vor, dass der Polizeibeamte einer irrtümlichen Fehleinschätzung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterlag und er eine konkrete Gefährdung des Untersuchungserfolges annahm, da es davon ausging, nicht innerhalb der notwendigen Zeit einen richterlichen Beschluss zu erlangen.

Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Betroffene durch die Zeugen P vor Durchführung des freiwilligen Urintests und Anga­ben zum Tatvorwurf ordnungsgemäß belehrt worden ist. Der Zeuge P hat glaubhaft bekundet, die Betroffene vor ihren Angaben und den Tests darauf hingewiesen zu haben, dass sie sich nicht selbst belasten und keine Angaben machen müsse. Der Zeuge P hatte noch konkrete Erinnerungen an die durchgeführte Kontrolle bei der Betroffenen. So konnte er sich u.a. noch daran erinnern, dass er mit der Betroffenen länger über das Vorur­teil gesprochen habe, ob alle Personen mit Tattoos auch Drogen zu sich nehmen. Ferner konnte der Zeuge P glaubhaft bekunden, dass er aufgrund der stark geröteten Augen und geröteten Bindehäute der Betroffenen von einem Drogenkonsum ausgegangen sei. Dies wurde auch von dem Zeugen D bestätigt, der erklärte, dass die Betroffene durch Dro­genkonsum bedröhnt wirkte, wenn auch nicht übermäßig.

Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Betroffene bei ihrer Tat zumindest fahrlässig handelte. Sie musste damit rechnen, dass das THC vom vorangegangenen Cannabiskonsum noch wirken würde und während der Fahrt noch im Blutserum nachweisbar sein würde. Dies ergibt sich daraus, dass die Zeuge P und D bekundet haben, dass die Betroffene gerötete Augen und gerötete Bindehäute hatte. Dies musste auch der Betroffenen aufgefallen sein. Ferner gab die Betroffene bei der Befragung nach Belehrung des Zeugen P an, am Vortage Cannabis konsumiert zu haben. Durch ihr auffälliges Verhalten musste ihr klar gewesen sein, dass sie noch THC im Blutserum hafte. Dies wird auch gestützt durch den sehr hohen THC-Wert, der um 12.30 Uhr bei der Betroffenen entnommen wurde, nämlich ein Wert von 8,64 ng/ml.

Die Betroffene hat danach fahrlässig unter Einfluss eines berauschenden Mittels ein Kraftfahrzeug geführt (§ 24 a Abs. 2 Abs. 3 StVG). Die Betroffene hatte dabei bereits eine Vorein­tragung gemäß § 316 StGB durch die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 16.03.2005, rechtskräftig am 06.05.2005. Das Gericht hat die Geldbuße in Anwendung von Nr. 242. 1 BKat angemessen auf 1 .000,– Euro festgesetzt. Es bestanden keine Anhaltspunk­te dafür, vorliegend von der Regelgeldbuße abzuweichen.

Darüber hinaus war gegen die Betroffene gemäß § 25 Abs. 2 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV ein Fahrverbot von 3 Monaten Dauer anzuordnen. Die Verhängung eines Fahrverbots ist die regelmäßige Folge der Verwirklichung des § 24 a Abs. 2 StVG. Die Erfüllung dieses Tatbestandes offenbart ein so hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr, dass es regelmäßig des Denkzettels und der Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf. Das Gericht hat im Ergebnis keinen Anlass gesehen, davon abzuweichen.

Das Fahrverbot wird dadurch abgemildert, dass der Betroffenen eine Abgabefrist von 4 Mo­naten zugebilligt wird (§ 24 Abs. 2 a StVG). (…)

AG Ahrensburg, Urteil vom 24.03.2010, Az. 52 OWi 760 Js-OWi 50221/09 (752/09)

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